Rund um die Ausstellung „1848 – Die vergessene Revolution“ im Palais NÖ

"Scene am 13ten März 1848 beim Landhaus in Wien", Lithographie von Josef Albrecht. Copyright Stadtmuseum St. Pölten

Im heutigen Palais Niederösterreich, dem ehemaligen Landhaus der Niederösterreichischen Stände, nahm die Revolution in Wien am 13. März 1848 ihren Ausgang. Im Hof hielten Demonstrierende kämpferische Reden und forderten Freiheitsrechte. Hier gab es die ersten Toten, als das Militär, ausgestattet mit einem Schießbefehl, das Feuer auf die unbewaffnete Menschenmenge eröffnete.

Die Forderungen der Revolutionäre in weiten Teilen Europas waren überall dieselben: Gewährung bürgerlicher Freiheiten, Volksvertretung, Verfassung, Presse- und Meinungsfreiheit, Befreiung der Bauern, nationale Selbstbestimmung und soziale Sicherheit. Die Revolution brachte jedenfalls das Ende des Feudalismus und markiert den Beginn der politischen Machtübernahme des Bürgertums. 

Aufgrund der Bedeutung für die Revolution sind einige historische Räume des alten Landhauses Bestandteil der Schau. Sie können erstmals von einer breiteren Öffentlichkeit besichtigt werden.

Freier Eintritt!

Die Ausstellung ist noch bis 31.10.2018 im Palais NÖ, 1010 Wien, Herrengasse 13, zu sehen.

Öffnungszeiten: Di bis Fr 11.00 – 19.00 Uhr und Sa 11.00 – 15.00 Uhr. So, Mo und Feiertag geschlossen.

Die Schau wurde vom Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung im Auftrag der Stabsstelle Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 unter dem Vorsitz des Bundespräsidenten a.D. Heinz Fischer in Kooperation mit dem Österreichischen Staatsarchiv und dem Haus der Geschichte im Museum NÖ erarbeitet.

Die „Herbert-Steiner-Sammlung“ zum Revolutionsjahr 1848

Im Einladungstext des Museum NÖ wird darauf hingewiesen, dass sich die turbulenten Ereignisse anhand dieser „Steiner-Sammlung“ anschaulich nachvollziehen lassen: „Herbert Steiner (1923-2001), Gründer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (und zeitlebens Kommunist! – Anm. von mir), war leidenschaftlicher Sammler. Seine Sammlung umfasst Zeitungen, Bücher, Flugblätter und künstlerische Graphiken, die nach Aufhebung der Zensur in großer Vielfalt erschienen.“ Erstmals wird eine Auswahl dieses Bestandes öffentlich präsentiert und bildet den Kern dieser Ausstellung.

Wiedergelesen: Das Buch „Österreich 1848“ von Ernst Fischer

Anlässlich dieses Gedenkjahres habe ich nach vielen Jahren das Buch „Österreich 1848“ von Ernst Fischer (Schriftsteller, Kunst- und Literaturtheoretiker, KPÖ-Nationalratsabgeordneter 1945-1959) aus dem Jahr 1946 wieder gelesen. Um auch Dir/Ihnen Gusto auf die Lektüre des Buches zu machen bzw. zur  Beschäftigung mit den damaligen Ereignissen anzuregen, nachstehend einige interessante Passagen  aus diesem Buch:

„Die Märzrevolution 1848 war eine einheitliche Erhebung von Bourgeoisie, Kleinbürgertum, Bauernschaft und Arbeiterklasse gegen die Mächte des Mittelalters; das Volk in seiner Gesamtheit stand den Herren von gestern gegenüber.“ (S. 10).

„Die wirtschaftliche Knebelung der Bourgeoisie wurde noch verschärft durch die politische Rechtlosigkeit. In den Landtagen herrschte schrankenlos der weltliche und kirchliche Großgrundbesitz. Im niederösterreichischen Landtag war die Bourgeoisie überhaupt nicht vertreten; die Repräsentanten des Bürgertums durften stehend die Steuerverordnung der Regierung anhören und mussten sich dann schweigend entfernen.“ (S. 31).

Es ging also darum, die Unterdrücker sämtlicher Völker der Monarchie, die Herrschaft der Habsburger und der feudalen Gutsherren loszuwerden. Doch: „Schon in den Märztagen zeigte sich die Spaltung des Volkes, kündigten sich die Klassenkämpfe des neuen Zeitalters an; und eben dieser schon damals sichtbar werdende Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat gab dem absolutistischen Hof und den feudalen Gutsbesitzern die Möglichkeit, den alten Grundsatz ‚Divide et impera!‘ (Teile und herrsche!) im Kampfe gegen die Revolution erfolgreich anzuwenden. Unerhört schnell vollzog sich die Aufspaltung des Volkes, und ehe noch eine Nation entstanden war, prallten schon die modernen Klassen aufeinander. … Im Mai siegte noch die Einheitsfront der Kleinbürger, Arbeiter und Bauern, während die Bourgeoisie zur Konterrevolution überging. Im Sommer und Frühherbst lösten die Bauern und breite kleinbürgerliche Schichten sich aus den Reihen der Revolution, und im Oktober standen die Arbeiter und die Studenten vereinsamt einer erdrückenden Übermacht gegenüber. Das zersetzende Element des Kapitalismus hatte sich als stärker erwiesen denn das einigende.“ (S. 11). „Die Monarchie wurde nicht gesprengt. Sie wurde einer qualvoll sich hinschleppenden nationalen Zersetzung preisgegeben.“ (S. 12).

Friedrich Engels über die Niederschlagung des Oktoberaufstandes 1848

Friedrich Engels beschrieb die Niederschlagung des Oktoberaufstandes 1848 und das Ende der Revolution folgendermaßen: „… So standen die Dinge in Wien: Draußen die reorganisierte österreichische Armee, berauscht von den Siegen Radetzkys in Italien, sechzig- bis siebzigtausend Mann, gut bewaffnet, gut organisiert. … Drinnen Verwirrung, Klassenspaltung, Desorganisation; eine Nationalgarde, von der ein Teil entschlossen war, überhaupt nicht zu kämpfen, während ein anderer Teil noch zu keinem Entschluss gekommen und nur der kleinste Teil zum Handeln bereit war; eine proletarische Masse, stark an Zahl, aber ohne Führer, ohne jede politische Schulung, ebenso leicht geneigt zur Panik wie zu beinah grundlosen Wutausbrüchen, eine Beute des falschen Gerüchts, das ausgestreut wurde, durchaus bereit zu kämpfen, doch ohne Waffen, wenigstens zu Beginn, und auch später, als man sie schließlich zum Kampfe führte, nur unvollständig bewaffnet und fast gar nicht organisiert; ein hilfloser Reichstag, der noch über theoretische Haarspaltereien diskutierte, als ihm schon fast das Dach über dem Kopfe brannte; ein leitender Ausschuss ohne innere Triebkraft und Energie. Alles war anders geworden seit den Tagen des März und Mai, als im Lager der Konterrevolution völlige Verwirrung herrschte und nur eine einzige organisierte Macht bestand: die von der Revolution geschaffene. Über den Ausgang eines solchen Kampfes konnte es kaum einen Zweifel geben, und wenn es doch noch einen gab, so wurde er behoben durch die Ereignisse des 30. und 31. Oktober und des 1. November.“

Zurück zu Ernst Fischer: „Wenn wir heute,  nach all den bitteren Erfahrungen eines Jahrhunderts und besonders der Schreckenszeit des Hitlerismus, auf die Ereignisse von 1848 zurückblicken, wird uns erst so ganz bewusst, welch ein Verhängnis der Zusammenbruch der bürgerlich-demokratischen Revolution in Mitteleuropa war, welch eine katastrophale Fehlentwicklung damals durch den Sieg der Reaktion heraufbeschworen wurde. Die geschichtlichen Probleme, die damals vor der demokratischen Bewegung standen, blieben ungelöst.“ (S. 186-187).

Nach Ernst Fischers Einschätzung scheiterte die demokratische Volksbewegung 1848 in Österreich vor allem auch am Widerspruch in der nationalen Frage: „Die Österreicher und die Ungarn waren eben erst im Begriff, zur Nation zu werden; schon aber wollten sie mehr sein als eine Nation unter anderen, schon wollten sie sich als „Herrennation“ die slawischen Völker unterordnen. Im Kampfe um die eigene Freiheit wollten sie anderen die Freiheit verwehren: sie haben damit nur erreicht, dass alle unfrei blieben. So wie die Bourgeoisie zwar ihre eigene Freiheit beanspruchte, die Freiheit des Handels, des Marktes, der Konkurrenz, gleichzeitig aber das Recht, die Arbeiterklasse zu unterdrücken, die Demokratie nicht auf das Proletariat auszudehnen, so wollten die privilegierten Nationen zwar selber frei sein, aber den anderen Völkern das demokratische Selbstbestimmungsrecht vorenthalten.“ (S. 7-8).

Und was tun, wenn – wie wir aktuell in Europa erleben – errungene Freiheiten und soziale Sicherheit beschnitten werden? Wolfgang Maderthaner, Historiker und Kurator der Ausstellung im Palais NÖ, gab im Gespräch im Radiosender Ö1 die richtige Antwort: „Freiheiten müssen ständig neu erobert und geschützt werden und ständig in gesamtgesellschaftlichen Prozessen und Auseinandersetzungen wieder neu bestätigt werden!“

Erich Stöckl

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Zum Nachlesen:

Ernst Fischer, „Österreich 1848 – Probleme der demokratischen Revolution in Österreich“, 1946, Stern-Verlag Wien, 205 Seiten.

Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 8, „Revolution und Konterrevolution in Deutschland“                     (in XI „Der Wiener Oktoberaufstand“).

Hörenswert: 

Zum Thema zu Gast beim Radiosender Ö1 bei Natascha Konopitzky war am 06.09.2018 in der Sendung „Punkt eins“  um 13:00 Uhr eine Stunde lang Wolfgang Maderthaner, Historiker, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs  und Kurator der Ausstellung „Die vergessene Revolution“. https://oe1.orf.at/player/20180906/526291

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