Vom Rechtsstaat zum „rechten“ Staat – Europa auf Abwegen

Die Bundespräsidentenwahl macht Angst. Geht Österreich, dessen Haider einst rechter Vorreiter war, nach Ungarn, Polen und der Türkei politisch den Weg in die eingeschränkte, autoritär orientierte Pseudodemokratie? Werden weitere Länder mit wachsenden extremen Rechten wie Frankreich (Front National), Niederlande (Gerd Wilders), Schweden (Schwedendemokraten) und am Ende auch Deutschland (AfD) diesem Weg folgen und warum?

Die Ursachen dieser zunehmend starken Rechtslastigkeit Europas liegen deutlich auf der Hand. Schon seit Jahrzehnten fordern die neoliberalen Kräfte der Weltwirtschaft von den USA aus den Abbau der im Nachkriegseuropa geschaffenen Sozialsysteme und die Zurücknahme der die Wirtschaft kontrollierenden Gesetzgebung. Sie seien „unfinanzierbar“ und „leistungsfeindlich“. Dabei explodieren gleichzeitig die Gewinne der Superreichen, die immer weniger Steuer zahlen. Den maroden Ostblock hat Reagan „zu Tode“ gerüstet, um die mangelnde Lebensfähigkeit von „Sozialstaaten“ zu beweisen. Marod waren die Oststaaten wegen grober eigener Fehler und der westlichen Wirtschaftssanktionen. Steuerabbau für Konzerne und Steuerflucht der Reichen wurden nach dem Zusammenbruch des Ostens rasch auch in der EU Realität und führten zu sozialer Verelendung. Die Bürger spüren die unsozialen Auswirkungen immer mehr und werden in panische Abstiegsangst getrieben. Die fleißigsten europäischen Helfer der extremen Profitorientierung und des Verrates an den sozialen Interessen der Arbeitnehmer waren Sozialdemokraten wie Schröder, Tony Blair und Faymann samt Vorgängern bei uns in Österreich. Die Gewerkschaften als reine Zuschauer des Abstiegs der Arbeiterklasse wurden teils ausgeschaltet, teils verloren sie ob ihrer Untätigkeit jedes Vertrauen der Arbeitnehmer.

Um die Rechtspopulisten á la Haider europaweit ideologisch zu bekämpfen, hätte die Sozialdemokratie Rückgrat und wirtschaftspolitische Überzeugung an den Tag legen und die neoliberalen Absichten der reinen Profitmaximierung seitens der Konzerne offen bekämpfen müssen. Da das aber US und EU Interessen verletzt hätte, hat man lieber die extremen Rechten mit ins Boot geholt (z. B. erste SP/FPÖ Koalition 1983 unter Sinowatz), um mit ihnen zu packeln. Damit wollte man die eigene Macht und die fetten Pfründe retten.

Dass der Rechtspopulismus keine der vielen Probleme der „Normalbürger“ löst, ist klar, da auch die Rechten am Neoliberalismus nichts Prinzipielles auszusetzen haben. Auch sie werden ja letztlich vom Großkapital finanziert.

Als „rechtes Rezept“ gegen Bürgerunmut gilt: „Statt sozialen Lösungen gib den sozial Unterprivilegierten Feindbilder wie Flüchtlinge, an denen sie ihre Wut auslassen und auf die sie ‚hinunter treten’ können – ein Rezept, das schon in den 30er Jahren unter Hitler bestens funktionierte.

Den jahrzehntelang entideologisierten und antikommunistisch indoktrinierten Bürgern mangelt es an objektiver Information, um dieses dreckige Spiel der Mächtigen durchschauen zu können. Besonders „Krone“ und Gratiszeitungen befeuern diese Politik. Jahrzehntelange Bildungsmisere, Meinungsmache a la Krone und ORF – Nachrichten haben zur allgemeinen politischen Apathie der Massen geführt.  Antikommunismus als das Killerargument schlechthin für und gegen alles wurde besonders von der SPÖ zum Abwürgen von sozialen Konflikten benutzt. Damit war für die Sozialdemokratie auch die selbst von Wirtschaftsfachleuten immer weniger angezweifelte „Kapitalismus-Kritik“ von Karl Marx nicht mehr dazu verwendbar, die „Gier“ des Kapitals als auslösendes Übel des sozialen Abstiegs zu entlarven. Die ÖVP hat längst die christliche Nächstenliebe und Soziallehre durch neoliberale Profitmaximierung ersetzt und schürt den Neid von Österreichs Normalbürgern gegen Flüchtlinge, um von den x-fach teureren Bankensanierungen und Steuerhinterziehungen abzulenken. Ablenken von den wahren Ursachen der sozialen Krise und falsche Blitzableiter, da sind sich ÖVP und FPÖ sehr nahe.   Logisch, dass die Rechtspopulisten, sobald sie einmal an der Regierung sind, ihre Macht durch restriktive Medienpolitik, totale Kontrolle von Medien, Justiz und Staatsapparat und hysterischen Antikommunismus absichern. Damit soll der „rechte“ Staat unumkehrbar verankert werden – Demokratie hin oder her. Die EU sieht zu und ergeht sich in schwachen Ermahnungen.

Demokratieabbau kann man in Ungarn, Polen oder bei Erdogan sehen. Aber niemand aus SPÖ oder ÖVP warnte die Österreicher vor dieser Wahl, dass so etwas durch die FPÖ auch in Österreich kommen könnte.

SP und VP wollen ja den potentiellen Koalitionspartner FPÖ nicht verärgern, sondern lieber mit den rechten FP-Recken paktieren (OÖ, Burgenland). Die Schuld an der Politmisere geben sich diese Pseudodemokraten jetzt gegenseitig in der Hoffnung, bei Straches Rechten etc. ein bisschen mitregieren zu dürfen. Damit wollen sie ihre persönlichen bzw. Parteipfründe retten. So hat z. B. LH Erwin Pröll Faymann die Wahlniederlage von VP-Khol und SP- Hundsdorfer zugeschoben. Dabei hat er selbst der eigenen Partei mit seinem Nein zur Präsidentschaftskandidatur im letzten Moment und mit seinen Politrochaden – Mikl – Leitner zu Sobotka im Innenministerium – Khol massiv geschadet.

Doch was sind die bewusst verschleierten Ursachen für die latente wirtschaftliche und soziale Krise Europas, die den Rechten die Wähler zutreibt?

Seit Eröffnung des Kalten Krieges 1947/48 seitens der USA hat sich Westeuropa dem US Imperialismus und seinem militärischen Arm, der NATO, blind untergeordnet. Dabei geht es den USA nicht um gleichwertige politische und wirtschaftliche Partnerschaft, sondern um die eigene weltweite US-Vorherrschaft. Hat man im Nachkriegseuropa auf Menschenrechte und sozialen Ausgleich gesetzt, so haben die USA z. B. bei der Menschenrechtserklärung den Teil der sozialen Rechte erst gar nicht unterzeichnet. Im Gegenteil, man hat diese sozialen Absicherungssysteme nur solange toleriert, als man sie brauchte, um durch mehr „Wohlstand“ dem Ostblock Konkurrenz zu machen. Kaum war der Osten weg, konnte auch in Westeuropa der Sozialabbau beginnen. Als man dann noch die US-Immobilienkrise nach Europa exportierte, hat dies den Sozialabbau beschleunigt. Irgendwoher mussten ja die Billionen zur Banken- und Spekulantenrettung kommen und flugs waren die Sozialbudgets ausgeräumt. Mit einem wirtschaftlichen Untergang Europas sind die USA einen lästigen Konkurrenten am Weltmarkt endgültig los. Das Ziel, alleinige Weltmacht zu sein, streben die USA bekanntlich selbst mit Kriegen gegen frei erfundene Gefahren (Irak), Destabilisierung von Ländern und Regionen (Naher Osten – Syrien, Jemen, Ägypten, Libyen, Sudan, Ukraine etc.) an. Begonnen hat man dieses Spiel 1953 mit der Demontage des frei gewählten Ministerpräsidenten Persiens, als dieser die iranischen Erdölquellen verstaatlichte. Bis heute ist ein Politiker, der sich gegen US-Wirtschafts- und Militärinteressen stellt, seines Lebens nicht mehr sicher. Auch bei den „Offshore-Finanzgeschäften“ a la Panama Papers spielen die USA scheinheilig den Weltpolizisten und verlangen, alle Steueroasen seien trockenzulegen. Nur die eigenen, die zugleich die verschwiegensten Steuerparadiese sind wie z. B. Delaware, lässt man nicht kontrollieren und schon gar nicht schließt man sie, denn die USA wollen dieses billionenschwere, profitable Geschäft mit der Steuerhinterziehung für sich alleine und die Schwächung anderer Länder ist dabei ein willkommener Nebeneffekt.

Wann werden Europa und seine Politiker erkennen, dass mit den US-Weltmachtsegoisten keine Partnerschaft auf Augenhöhe möglich ist? Selbstbewusste eigenständige europäische Politik, die soziale Mindeststandards auch von Lieferanten auf der ganzen Welt einfordert oder Strafzölle wegen Sozialdumpings einhebt, wäre besser als Freihandelsabkommen wie TTIP, bei denen Sozialstandards abgebaut werden. Eine gleichrangige Partnerschaft Europas mit Russland würde Europa mehr nützen als von den USA diktierte Sanktionen. Die Strafzölle könnte man im Zuge der Entwicklungshilfe den armen Ländern zurückgeben und gleichzeitig damit unsere Sozialstandards absichern.

Wenn ein Teil keinen klaren Blick auf ökonomisch-politische Zusammenhänge hat (wie z. B. bei SP+VP) und der andere Teil von ihnen nicht danach handelt, sondern nur der US-Hegemonialpolitik und der Profitgier der Großkonzerne dient, hat es verdient, von der politischen Bildfläche zu verschwinden. Aber letztlich kann  der „Ausweg“ des neuen „Rechtspopulismus mit faschistischen Zügen“  wieder zu einer Katastrophe in Europa führen, wie man aus der Geschichte des 2. Weltkrieges gelernt haben sollte.

GR Mag. Wolfgang Mahrer

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