NÖ: Armut und Reichtum nehmen weiter zu

Armut grenzt aus

Studie: 189.000 Armutsgefährdete, 120.000 mit hohen Einkommen — St. Pölten (OTS) — (16.6.) Armut und Reichtum nehmen auch in Niederösterreich gleichzeitig zu. Das ist das wichtigste Ergebnis einer Studie, die am Montag in St. Pölten vorgestellt wird. Erarbeitet wurde sie von der „Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“ im Auftrag der SPÖ Niederösterreich.

Die wichtigsten Ergebnisse sind:

> Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in NÖ betrug zuletzt (2006) 189.000 Menschen oder mehr als 12 Prozent der Bevölkerung. Das war die vierthöchste Armutsgefährdungsquote aller Bundesländer.

> Erwerbsarbeit schützt immer weniger vor Armutsgefährdung und Armut. Die Armutsgefährdung erwerbstätiger Haushalte hat deutlich zugenommen. Vor allem neue Erwerbsformen, die zu unregelmäßiger, nicht ganzjähriger und nicht ganztägiger Beschäftigung führen, haben die Armutsgefährdung stark erhöht. In NÖ lebten zuletzt (2006) bereits rund 75.000 „working poor“, Menschen, die trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet oder arm sind. Und es waren erstmals weniger als 60 % der niederösterreichischen Arbeitsplätze „Normalarbeitsplätze“, also mit ganzjähriger

Vollzeitbeschäftigung.

> Arbeitslosigkeit bedeutet häufig Armutsgefährdung und Armut. Sowohl das durchschnittliche Arbeitslosengeld wie auch die durchschnittliche Notstandshilfe liegen in NÖ unter der Armutsgrenze.

> Behinderung und Pflegebedarf erhöhen das Armutsrisiko. Weil der Großteil der Pflegeleistungen durch Angehörige, zumeist Frauen, erbracht wird, müssen diese oft ihre Erwerbstätigkeit einschränken. Die deutliche Zunahme älterer, pflegebedürftiger Menschen wird das Problem weiter verschärfen. In NÖ werden etwa 107.000 Menschen durch rund 98.500 Angehörigen und andere Hilfskräfte betreut und gepflegt.

> Rund 41.000 PensionistInnen in NÖ sind armutsgefährdet, weil ihre Pensionen samt Ausgleichszulage unter der Armutsgefährdungsgrenze liegen.

> Kleine Kinder erhöhen das Armutsrisiko deutlich, weil sie die Erwerbstätigkeit vor allem bei Fehlen von Kinderbetreuungseinrichtungen einschränken. In NÖ ist nur jedes zweite Vorschulkind in einer Kinderbetreuungseinrichtung. Etwa 61.000 Erwachsene und Kinder in Alleinerzieherhaushalten bzw. Familien mit 3 und mehr Kindern in NÖ sind armutsgefährdet, weil sie in solchen Familienverhältnissen leben.

> Die durchschnittlichen monatlichen Haushaltsausgaben in NÖ sind die vierthöchsten aller Bundesländer. Überdurchschnittlich sind vor allem die Ausgaben für Wohnen und Energie.

> Leistungen der öffentlichen Hand senken die Armutsgefährdung. Für 460.000 Niederösterreicher (30% der Bevölkerung) sind Sozialleistungen und Pensionen die Haupteinkommensquelle. Ohne Sozialleistungen wären 362.000 Menschen in NÖ (23 % der Bevölkerung) armutsgefährdet bzw. arm.

> Der Reichtum nimmt in NÖ weiter zu. Die Zahl der Menschen mit hohem Einkommen (über 200 % des Medianeinkommens) hat in den letzten Jahren in NÖ um 30.000 (auf 120.000) zugenommen. Ihre Einkommen sind etwa doppelt so stark gestiegen wie das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen. An Geldvermögen bestehen in NÖ etwa 115 Mrd. Euro in privaten Haushalten und Unternehmen.

> Die Besteuerung von Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die Besteuerung der Einkommensverwendung und schließlich die Besteuerung von Vermögen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung, mehr aber noch auf das Wachstum von Einkommen und Vermögen somit auch auf das Entstehen von Armut und Reichtum. Auch in NÖ. Derzeit werden 93 % aller Steuern durch Steuern auf Einkommen und deren Verwendung aufgebracht, aber nur mehr 5 % durch Steuern auf Vermögen.

„Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass auch in NÖ Armut und Reichtum gleichzeitig zunehmen. Veränderungen in der Politik müssen vor allem dort anzusetzen, wo es die größten Probleme gibt: es braucht eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und existenzsichernde Beschäftigungsformen bzw. Einkommen, auch bei den Älteren. Weiters Investitionen in die Bildung, in die Pflegesicherung und die Kinderbetreuung. Außerdem eine Begrenzung der Lebenshaltungskosten, vor allem der Energie- und Wohnkosten. Und schließlich die Sicherung des soziales Netzes und eine gerechtere Besteuerung von Einkommen einerseits und Vermögen andererseits“, so ÖGPP-Generalsekretär und Studienautor Dr. Andreas Höferl bei der Pressekonferenz.

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