Wenn der Zug zur Macht die politische Überzeugung besiegt …

Nach den NÖ Gemeinderatswahlen gibt es kein Halten:

Die SPÖ-Spitze betont zwar regelmäßig, auf allen Ebenen gegen eine Zusammenarbeit mit Rechtsparteien zu sein. Gleichzeitig liebäugeln wichtige Landespolitiker, wie der Steirer Franz Voves, mit einer rot-blauen Kooperation. Voves sagte, er würde sich „jederzeit“ von der FPÖ wieder zum Landeshauptmann wählen lassen. Nach den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen zeigt sich, dass in Traismauer die SPÖ mit der FPÖ paktiert, um den Bürgermeisterposten zu behalten. Und in Bad Deutsch-Altenburg machten die Sozialdemokraten nach großen Verlusten den ehemaligen FPÖ-Landesobmann zum Bürgermeister.

Traismauer: Alle politischen Akteure haben sich bloßgestellt

In Traismauer boten alle beteiligten politischen Akteure nach der Gemeinderatswahl ein besonderes Schauspiel:

Die SPÖ hatte die absolute Mehrheit verloren, die ÖVP wollte mit der FPÖ und der Liste MIT an die Macht. Die Liste MIT sollte in Gestalt eines schwarzen Ex-Funktionärs den Bürgermeister stellen. Doch der Pakt hielt nicht, die Liste MIT wurde wegen E-mails mit der ÖVP von der FPÖ als „ÖVP-Beiwagerl und Scheinpartei“ entlarvt.

Daraufhin entschieden sich zwei Freiheitliche, die SPÖ zu unterstützen, der dritte, ursprünglich Spitzenkandidat der FPÖ, trat aus der Partei aus und ist wilder Mandatar. So wurde wieder ein SPÖ-Politiker Bürgermeister und ein FPÖ-ler Vizebürgermeister.

Doch damit war das Schauspiel noch nicht zu Ende. Der neue FPÖ-Vize wurde nämlich, wie die Zeitschrift „profil“ aufdeckte, vom Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstands (DÖW) der als rechtsextrem eingestuften Nationalen Volkspartei (NVP) zugerechnet.

Anfangs bestritt der Vize und vormalige Stadtrat noch diese Vorwürfe. Er sagte im ORF, wenn er als rechtsextrem eingestuft werde, dann sei das DÖW linksextrem. Da stand auch die Landes-FPÖ noch zu ihm: „Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, sagte der Landesgeschäftsführer.

Dch bald wurde anscheinend der Druck zu groß: FPÖ-Landesrätin Rosenkranz stand ja im Bundes- präsidentschafts-Wahlkampf. Da kam eine zusätzliche Diskussion um rechtsextremes Gedankengut überhaupt nicht zupaß.

Nun gab der Vize seinen Rücktritt von diesem Amt, seinen Abschied aus der Gemeindepolitik und auch seinen Austritt aus der FPÖ bekannt. Er erklärte, es stimme, dass er sich von 2007 bis 2008 im Umfeld der NVP bewegt habe, auch bei deren Gründungsveranstaltung sei er dabei gewesen. Weil aber diese Partei „zunehmend extremistische Züge angenommen habe“, sei er im November 2008 ausgetreten und seit April 2009 bei der FPÖ gewesen.

Der Wirbel in Traismauer ging indes heftig weiter. Die SPÖ bekannte sich weiter zum Pakt mit der FPÖ – diese müsste eben einen anderen Kandidaten als Vize nominieren.

Viel Auswahl hatten die Blauen allerdings nicht. Der in Frage kommende Listendritte ist relativ jung, neu und unerfahren im Gemeinderat. Da dieser als hauptberuflicher Arbeiter-Samariterbund-Mitarbeiter im Zivilberuf in einem Untergebenenverhältnis zum ebenfalls beim ASBÖ beschäftigten SPÖ-Bürgermeister stehe, wolle man kein Gerede in Richtung Unvereinbarkeit riskieren, hieß es schließlich aus der Bezirks-FPÖ. Sie fand eine „Vernunftlösung“: Der FPÖ-Neuling wurde bloß Stadtrat (für Sicherheit und Katastrophenschutz), aber nicht Vizebürgermeister. Diesen Posten überließ die FPÖ wieder der SPÖ. …

Damit geht die SPÖ in Traismauer nach einem Verlust von 13,5 Prozent, Verlust der absoluten Mehrheit und nachfolgendem Rücktrit des Bürgermeisters als Sieger aus allen diesen Wendungen im Geschehen hervor.

Der aktuelle SPÖ-Bürgermeister empfindet das als in Ordnung: „Schließlich haben wir mit 42,5 Prozent nach wie vor die Mehrheit.“ Die Politikverdrossenheit aber steigt.

Bad Deutsch-Altenburg: Zweckbündnis mit ideologiefreien Sachentscheidungen?

Ortswechsel. In Bad Deutsch-Altenburg verlor die SPÖ ebenfalls die Absolute und überließ in einem Koalitionsabkommen für die Hälfte der fünfjährigen Gemeinderatsperiode dem ehemaligen FPÖ-Landesobmann Ernest Windholz den Bürgermeister, die SPÖ stellt den Vize.

Windholz sitzt seit 2008 für das BZÖ (als Parteiloser) im Nationalrat, ist seit Jahren geschäftsführender Gemeinderat seiner Liste „Team Windholz“ in Bad Deutsch-Altenburg.

Vor zehn Jahren war er damit aufgefallen, dass er kurz nach seiner Wahl zum Lan- desparteichef der FPÖ-NÖ sagte: „Unsere Ehre heißt Treue“. Dass es sich dabei um eine SS-Parole aus der NS-Zeit handelt, wollte er damals nicht gewußt haben. Windholz heute: „Das ist Schnee von gestern. Ich bin ein lupenreiner Demokrat, aus meinem Ausspruch mehr herauszulesen ist absoluter Humbug.“ („Österreich“, 22.04.2010).

SPÖ-Gemeinderat Wallowitsch bezeichnet die Koalition mit der Windholz-Liste als „Zweckbündnis“: In dem kleinen Ort mit 1.500 Einwohnern gehe es nur um Sachentscheidungen, da „fällt die Ideologie nicht auf.“ Auch SPÖ-Vizebürgermeisterin Perger meint, ausschlaggebend für die Kooperation seien die „Sachinhalte und die Arbeit für den Ort“ gewesen. „Ich sehe mich auch nicht als Verräter der SPÖ, da wir sonst in Opposition gewesen wären“, sagt sie. („Wiener Zeitung“, 24.04.2010).

Im Industrieviertel ist Schwarz-Grün in Mode

Nach den abgeschlossenen Parteienverhandlungen gilt in den drei Bezirkshauptstädten Baden, Mödling und Neunkirchen Schwarz-Grün als neue Modefarbe.

In Baden haben die Grünen der Volkspartei, die nach 60 Jahren Vorherrschaft herbe Verluste einfuhr, den Bürgermeistersessel gerettet. Obwohl die ÖVP 18 Mandate innehat und die Grünen nur fünf, erklärte die neue Vizebürgermeisterin der Grünen, LAbg. Helga Krismer, dass die ÖVP den Grünen „wirklich partnerschaftlich“ begegne. Das Beispiel Bregenz, aber auch aktuelle Umfragen in Graz zeigen jedoch, dass Schwarz-Grün vor allem der ÖVP nützt.

In Neunkirchen gibt es nach 65 Jahren SPÖ-Regierung das erste Mal einen ÖVP-Stadtchef. Noch etwas ist interessant: Die Koalition aus ÖVP und Grünen wurde bei der Bürgermeister-Wahl von zwei FPÖ-lern unterstützt.

Auffällt, dass die Landes-Grünen die Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ in Traismauer und Bad Deutsch-Altenburg massiv kritisierten, die Unterstützung von Schwarz-Grün in Neunkirchen durch die FPÖ stört sie hingegen nicht, obwohl die FPÖ dort einen auffallend starken ausländerfeindlichen Wahlkampf geführt hat.

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