Was bringt der „anspringende Konjunkturmotor“ älteren Arbeitsuchenden?

Bereits jede/r Vierte beim AMS-NÖ Vorgemerkte ist langzeitarbeitslos

„Niederösterreichs Wirtschaft zieht ordentlich an. Mit rund 616.000 Beschäftigten haben wir erneut einen neuen Höchststand an Beschäftigten erreicht“, sagt Landesrat Karl Wilfing. Dem gegenüber standen jedoch Ende Juni 61.854 Arbeitsuchende, die entweder beim AMS-NÖ als arbeitslos gemeldet oder in Schulungsmaßnahmen sind. Schwierig bleibt die Situation, wie auch LR Wilfing zugibt, für Ältere. Bereits jede/r Vierte beim AMS-NÖ Vorgemerkte ist langzeitarbeitslos.

Etwas widersinnig ist, dass die Bundesregierung beim Überarbeiten ihres Regierungsprogramms im Jänner dieses Jahres Firmen die Kündigung älterer Beschäftigter erleichtert hat, nun aber in den kommenden zwei Jahren insgesamt 778 Millionen Euro in die Förderung neuer Jobs in Gemeinden, gemeindenahen Bereichen und gemeinnützigen Organisationen stecken will.

Alle Bundesländer starten diese sogenannte „Aktion 20.000“ (gemeint sind Jobs) in einer von ihnen ausgewählten Pilotregion. In Niederösterreich ist dies ab 01.07.2017 der Bezirk Baden – weil das der Bezirk mit den meisten Langzeitarbeitslosen im Alter von über 50 Jahren ist. Durch gründliche Vorbereitung konnten nun 80 Arbeitsplätze im Bezirk vermittelt werden, bis Jahresende sollen es 100 sein, erwartet AMS-NÖ-Chef Karl Fakler.

Über die Aktion 20.000 werden Lohn- und Lohnnebenkosten eines kollektivvertraglich entlohnten Beschäftigungsverhältnisses hauptsächlich im kommunalen Bereich für die Dauer von bis zu zwei Jahren gefördert. Die Förderung durch das AMS kann bis zu 100 Prozent betragen. (Dabei erspart sich, nebenbei bemerkt, die öffentliche Hand direkte und indirekte Kosten der Arbeitslosigkeit).

Ab Jänner 2018 soll die Aktion 20.000 dann bundesweit flächendeckend greifen, 4.000 Stellen davon sollen in Niederösterreich geschaffen werden. „Damit halbieren wir langfristig die Langzeitarbeitslosigkeit in der Generation 50+ und geben tausenden Betroffenen echte Perspektiven“, sagt Arbeitsminister Alois Stöger. „Wir geben zum Beispiel Gemeinden die Möglichkeit, zusätzliche Leistungen anzubieten, schaffen sinnstiftende Jobs für die Betroffenen und gleichzeitig einen Mehrwert für die Gesellschaft.“

Soweit, so gut, verheißungsvolle Perspektiven. Fakt ist und bleibt indes „dass Menschen über 50 nach dem Verlust des Arbeitsplatzes kaum mehr Chancen auf einen Job haben und aufgrund ihres Alters diskriminiert und nicht einmal mehr zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden“, wie Josef Stingl, Vorsitzender des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) im ÖGB, anmerkt. Wer zwei oder drei Jahre ohne Beschäftigung ist, kommt auch mit der bereits bisher bestehenden Eingliederungshilfe kaum unter.

Auch AMS-NÖ-Chef Fakler stellt fest, „dass die massive Zunahme des Arbeitskräfteangebots durch die Ostöffnung des Arbeitsmarktes, die Alterung der Erwerbsbevölkerung und die Umsetzung von Pensionsreform-Maßnahmen zu einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit beitragen.“

Während also auf der einen Seite seit der Pensions“reform“ der ÖVP-FPÖ-Regierung 2003 gezielt das Pensionsantrittsalter nach oben geschraubt und seit 2011 der Zugang zur Früh- und Invaliditätspension erschwert wird, sind für „die Wirtschaft“ ältere Beschäftigte oftmals ein lästiger Kostenfaktor. Nach Meinung des GLB sollte daher der erhöhte Kündigungsschutz für Beschäftigte ab 50 umgehend wieder eingeführt werden.

Auf einen weiteren Gesichtspunkt weist AK-Präsident Rudolf Kaske hin: In Zeiten sehr dynamischer technologischer Veränderungen bedürfe es auch einer Qualifizierungsoffensive für alle Menschen im Haupterwerbsalter – egal, ob sie beschäftigt oder arbeitslos sind. Kaske: „Wir müssen den Zugang zur Weiterbildung für jene öffnen, für die diese Tür bisher verschlossen war, insbesondere für ältere Beschäftigte und gering Qualifizierte. Da ist die Politik gefordert, entsprechende Angebote zu entwickeln.“

Grundsätzlich notwendig wäre schlussendlich eine Neuverteilung der Arbeit durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden mit vollem Lohn- und Personalausgleich, wie der GLB verlangt. Damit soll auch die enorme Anzahl der geleisteten Überstunden (2015: 253 Millionen) reduziert werden.

Erich Stöckl

 

 

 

 

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