Kundgebung zum Gedenken an das SS-Massaker an politischen Häftlingen aus Stein

Die Gedenktafel am Hadersdorfer Friedhof bei der in provokanter Weise das Wort "politische" vor Gefangene weggelassen wurde um den Opfern ihre Würde zu rauben.

Erstmals seit vielen Jahren konnten die Angehörigen der Opfer und Mitglieder der Widerstandskämpferorganisationen neben dem Friedhöfen Hadersdorf und Stein sowie dem Denkmal für die Griechischen Opfer, auch in der Justizanstalt Stein am Gedenkstein für die Opfer des Massakers vom 5. April 1945 Ihr Gedenken abhalten.

Als letzter der Redner hat der Kremser KLS-Gemeinderat Mag. Wolfgang Mahrer die folgende sehr emotionale Rede gehalten;

Geschätzte Antifaschistinnen und Antifaschisten,

danke, dass Sie mit ihrer Teilnahme an den heutigen Gedenkfeiern für die Opfer dieser SS-Massaker zeigen, dass es in Österreich noch Menschen gibt die sich dem kollektiven Vergessen entgegenstemmen.

Es war und ist auch heute der offiziellen Politik zu unbequem, sich mit den Verbrechen in der nächsten Umgebung und von den eigenen Bürgern die sich damals schuldig machten, auseinander zu setzen.

Ich möchte heute einigen dieser Opfer eines feigen und barbarischen Mordes Namen geben. In den alten Unterlagen meines Vaters, habe ich seinen damaligen Bericht über die Exhumierungen aus dem Jänner 1950 gefunden. Damals wurde in Krems, zu ehren der Ermordeten, Trauerbeflaggung angeordnet. Heutzutage hat das offizielle Hadersdorf den dort Ermordeten ihre Würde geraubt, indem man das Wort „politische“ bei der Gedenktafel vor dem Wort Gefangene bewusst weggelassen hat! Erlauben sie mir die Namen von 65 Ermordeten vorzulesen um diese für heute der Anonymität zu entreißen.

Imamovic Hasan, Tadic Milorad, Mucnak Max, Karvunnis Joannis, Suppinger Johann, Papadopoulos Wassilios, Callot Emilien, Fischer Anton, Baklawas Athanasius, Simeonidis Nikolaos, Tschernowitz Emil, Vukuvits Marko, Sonnenwald Ludwig, Poirson Huguis, Sorko Karl, Altipparis Georgios, Reiter Balthasar, CharamisKimon, Doyscher Franz, Luwaris Panajatis, Dolezal Franz, Kosar Franz, Klatzer Johann, Alibasic Edhen, Papadopoulos Georgios, Kyncl Josef, Faist Johann, Kalpakas Dimitrios, Jammernegg Franz, Draxler Julius, Markovicka Rudolf, Sporer Gustav, Prikryl Franz, Walcher Johann, Fikr Josef, Neuzil Jaroslav, Slaba Georg, Argiris Konstantin, Marinkovits Bodizar, Hell Peter, Krikelis Georgios, Coukoumialos Leonitas, Leone Saverino, Pinter Johann, Scholler Heinrich, Jelinek“A“ Josef, Eder Karl, Schörgi Franz, Belskovits Leopold, Katzjäger Karl, Caktas Marjen, Carziane Celsor, Tschertou Oswald, Galis Anton, Chatizawas Marios, Moser Johann, Klimt Ferdinand, Noceri Giovanni, Posod Franz, Liongrad Christos und Kocvelda Franz.

Nach dem Krieg und heute immer noch ist es politisch bequemer die Feindschaft gegen die „Untermenschen im Osten“ einfach weiterzuführen und die Täter und ihre Untaten in der eigenen Heimat zu vertuschen. Die Österreicher die den Mut, hatten gegen den Faschismus zu kämpfen, wurden bald als zu unbequem aus dem öffentlichen Leben entfernt. Nur allzu oft haben die alten braunen Kader unter neuen demokratischen Mäntelchen ihre Herrschaftspositionen wieder ausgeübt. Alles um damit möglichst viele der Stimmen der 600.000 Nazis für ÖVP und SPÖ gewinnen zu können.

Meine Eltern waren beide im Widerstand, meine Mutter wegen ihres Auftretens gegen den Austrofaschismus wurde für Monate im Gefangenenhaus Krems inhaftiert. Mein Vater hat im 2. Weltkrieg in Jugoslawien zusammen mit einem Freund tausenden verwundeten Partisanen das Leben gerettet und den raschen Zusammenbruch der Balkanfront herbeigeführt. Er überlebte durch den Mut und die echte Freundschaft seines Kameraden das Kriegsgericht. Sein Freund hat ihn gedeckt und selbst den Tod auf sich genommen. Mein Vater hat sich seine Selbstvorwürfe zum Sterben seines Freundes in einem Buch von der Seele geschrieben, aber danach mit niemanden mehr darüber gesprochen.

Trotzdem hat er meiner Schwester und mir gemeinsam mit unserer Mutter, immer eines vermittelt, es darf keinen Faschismus mehr geben und keinen Völkerhass. Dafür hat man notfalls bis zu letzten zu kämpfen. Alle Jahre waren wir als Kinder schon hier in Stein um dieser unschuldigen Opfer zu gedenken. Wir waren in Mauthausen, in Auschwitz oder Buchenwald um zu sehen wohin blinder Rassenhass und der Wahn vom Herrenvolk führten.

Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist das Bild eines über und über mit Narben bedeckten Gesichtes. Das Gesicht eines Griechischen Genossen, der dieses Massaker in Stein schwer verletzt überlebte. Mein Vater, von Beruf Deutschprofessor, hat ihm gratis unsere Sprache beigebracht. Die Freundschaft zu Gerassimos Garnelis ist über seinen und meiner Eltern Tod hinaus in unserer Familie bis heute tief verwurzelt. Sein Mut und sein Lebens- und Freiheitswille werden mir immer Vorbild bleiben.

Heute ist es nicht mehr leicht gegen den Strom des neu aufkommenden Faschismus aufzutreten. Denn die Politik ist wieder halbherzig wenn es um seine offene Bekämpfung geht. Man schielt wieder auf mögliche Stimmen bei Wahlen und Koalitionsmöglichkeiten. Da kann sogar einer der die Trennlinie zum Faschismus nie gezogen hat, ins Parlamentspräsidium gewählt werden – das nennt man dann demokratische Spielregeln. Beim Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz darf das Wort Austrofaschismus nicht vorkommen. Für mich sind das riesen Sauereien! Auch belässt man die politischen Kräfte eines Victor Orban in der Europäischen Volkspartei, statt sich gegen deren Rassenideologie von „Großungarn“ und den Verfolgungen von Sinti und Roma offen zu distanzieren. In Deutschland wurden Neonazi-Mörder jahrelang von Behörden gedeckt. In Österreich ist Justitia und Polizei am rechten Auge ebenso blind.

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten lasst uns gemeinsam gegen die Geisel des Faschismus kämpfen rufen wir gemeinsam ein lautes, unüberhörbares – NIE WIEDER FASCHISMUS!

Schließen möchte ich meine Rede mit der letzten Strophe eines Gedichtes meines Vaters, das seine Gefühle bei der Heimkehr aus dem Krieg beschrieb:

Der Morgen, ein Dorf und vom Kirchturm hernieder

Fröhlich die Fahne in rot – weiß – rot!

Da wusst´ ich: „ Bei Gott, meine Heimat ist wieder!“

Und weinte und lachte – und fort war der Tod.

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